Ausstieg aus dem Crash

Beschäftigung

Arbeitsplatzvernichtung aufhalten

In einer Marktwirtschaft, in der Energie im Verhältnis zu Arbeit spottbilig ist, wird Arbeit so weit wie irgend möglich erst durch Mechanisierung und dann durch Automation verdrängt. Das Missverhältnis ist so grotesk, dass es nur verwundern kann, dass dieser Prozess nicht schon viel weiter fortgeschritten ist. Die Energiekosten stellen 5 % der Gesamtkosten dar, die Arbeitskosten rund 70 %. Das Missverhältnis zeigt sich jedoch in seiner ganzen Dramatik in einer Maßzahl, die Rainer Kümmel "Produktionsmächtigkeit" nennt. Dies ist ein anderes Wort für Produktionselastizität (PE), definiert als der mittlere prozentuale Zuwachs der Wertschöpfung bei einprozentigem Zuwachs eines Produktionsfaktoreinsatzes; sie drückt also aus, wie weit der Produktionszuwachs von der Erhöhung eines Faktoreinsatzes bestimmt wird): Reiner Kümmel (1998: 32ff) kommt in seinen Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß die Produktionselastizität (PE) der Energie mit rund 0,5 am höchsten ist, gefolgt von Kapital mit 0,45 und weit abgeschlagen Arbeit mit 0,05. Die PE der Energie ist also zehn mal so hoch wie die PE der Arbeit (1 % Erhöhung des Energieeinsatzes bringt ein Wertschöpfungswachstum von 0,5 %, 1 % Erhöhung des Kapitaleinsatzes 0,45 %, 1 % Erhöhung des Arbeitseinsatzes 0,05 %. Wachstum korreliert also viel stärker – zehn mal so stark! – mit Kapitalwachstum und Energieeinsatz als mit menschlicher Routinearbeit (und dies angesichts der Tatsache - s.o. - dass die Energiekosten 5 %, die Arbeitskosten rund 70 % der Gesamtkosten darstellen).

Nach der marktwirtschaftlichen Logik müßte die Energie mit einem Anteil von 50%, das Kapital mit 45 % und die Arbeit mit 5 % an der Wertschöpfung der Volkswirtschaft entlohnt werden. Glücklicherweise konnte sich diese absurde Logik in der gesellschaftlichen Realität des 20. Jahrhunderts nicht durchsetzen. Dass das wirtschaftliche Wachstum während der Boomjahre der zweiten Jahrhunderthälfte im Schnitt im Verhältnis 70 : 30 zwischen Arbeit und Kapital aufgeteilt wurde, kann als eine bemerkenswerte Leistung einer sozialstaatlich orientierten Gesellschaft angesehen werden.

Als der gesellschaftspolitische Konsens, der diese Verteilungspolitik ermöglichte, nach dem Zusammenbruch des Sozialismus und unter dem Ansturm der Globalisierung zu bröckeln begann und mehr und mehr erodierte, schwächten sich auch die Hemmnisse ab, die das oben dargestellte Missverhältnis in der Produktionsmächtigkeit von Energie und Arbeit daran gehindert hatten, auf die Verteilung der gesellschaftlichen Wertschöpfung durchzuschlagen.

Unter dem Globalisierungsdruck führt der niedrige Energiepreis unvermeidlich dazu, daß Routinearbeit systematisch aus der Produktion verdrängt, nämlich durch immer höher automatisierte, also intelligentere Produktionsanlagen ersetzt wird. Was also aus ökologischen Gründen dringend erforderlich ist, nämlich die (fossile) Energie zu verteuern, um ihren Preis ihren sozialen und ökologischen Kosten anzunähern, ist ebenso dringlich aus arbeitsmarktpolitischen Gründen. Die Belastung der Arbeit durch die Sozialkosten (Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung) muß so schnell wie nur irgend möglich auf die Energie überwälzt werden. Damit könnte der Arbeitsplatzabbau zumindest kurz- und mittelfristig gestoppt und vielleicht sogar einige neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Angesichts des oben geschlderten extremen Missverhältnisses zwischen der Produktionsmächtigkeit der Arbeit einerseits und der Energie andererseits kann kein Zweifel daran bestehen, dass auch eine Vervielfachung der Energiepreise die Tendenz zur Vernichtung von Arbeitsplätzen zwar verlangsamen, aber nicht aufhalten kann. Dies könnte nur eine faktische Verknappung der verfügbaren Energie erreichen, wie sie mit einem CO2-Kontingentierung verwirklicht würde. (zu den Zukunftsperspektiven der Erwerbsarbeit s.a. "Ende der Arbeit")

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